Die 19. Handelsblatt Jahrestagung Die Automobil-Industrie fand am 14. Juli 2011 in München statt. Im Fokus standen die Chancen auf den internationalen Märkten, die Herausforderungen durch neue Antriebstechnologien und Elektromobilität sowie veränderte Kundenwünsche.
Die Automobil-Wirtschaft habe die digitalen Anforderungen der nächsten Generationen ebenso zu erfüllen wie die Zusammenführung von Elektromobilität und herkömmlichen Antrieben, mutmasste der Audi-Chef Rupert Stadler. Die neuen Ansprüche an vernetzte Mobilitätskonzepte, alternative Antriebe sowie C02- und Energieeffizienz erfordern ein neues Denken. Veränderte Rahmenbedingungen wie die Transformation von Lebensprozessen in virtuelle Welten, die Globalisierung, Digitalisierung und Urbanisierung verlangten ein flexibles Handeln. Um die Erforschung von Elektroantrieben und Leichtbau voranzutreiben, werde die Volkswagen-Tochter bis 2015 über elf Milliarden Euro investieren, kündigte er an.
Absatzboom geht weiter
Der derzeitige Absatzboom werde weiter gehen, unter anderem wegen des Wachstums in den neuen Märkten. Der weltweite Automarkt, auf dem derzeit etwa 60 Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkauft werden, werde in den kommenden 15 Jahren um rund 60 Prozent auf 85 bis 90 Millionen Fahrzeuge zulegen, sagte er. Angesichts der hohen weltweiten Nachfrage nach deutschen Luxusautos beabsichtige Audi in den nächsten Jahren 10.000 neue Mitarbeiter einzustellen. „Bis Ende des Jahrzehnts wird die Zahl unserer Beschäftigen von 60.000 auf rund 70.000 steigen“, so Stadler. Nur durch die Stärkung der eignen Innovationsfähigkeit, Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie neue Fertigungskapazitäten könne man die Erwartungen der Kunden von morgen erfüllen.
Premium wird subtiler
„Das Auto 2.0 wird sich wesentlich stärker auf die individuellen Bedürfnisse einstellen“, so Stadler weiter. Premium werde subtiler und drehe sich verstärkt um Faktoren wie Nachhaltigkeit, Zeit, Selbstverwirklichung und ein gutes Gewissen. Audi setze besonders auf die Vernetzung mit anderen Fahrzeugen und mit der Infrastruktur, wie beispielsweise Tankstellen oder Parkhäuser. Ebenso setze Audi auf gesteigerten Fahrkomfort und Informationsmöglichkeiten. Neben der Vernetzung und dem Design bleibe der Leichtbau für Audi zentral. Auf dem Weg in die Elektromobilität setze Audi mit dem Q5, A6 und A8 Hybrid auf ein optimales Zusammenspiel aller Komponenten. „Wir wollen auch den Allrad-Antrieb für die Elektromobilität möglich machen“, sagte Stadler weiter. Audi verfolge die Entwicklung von Elektroautos ebenso wie die von Plug-In-Hybriden und die Optimierung konventioneller Antriebe. Nicht jedes Auto werde in Zukunft einen Elektromotor haben. Audi gehe langfristig von einem Nebeneinander verschiedener Konzepte wie Wasserstoff, Erdgas, Benzin und Elektro aus.
Wachsen in und durch die neuen Märkte
„Wir wachsen in und durch die Emerging Markets“, betonte Dr. Bernd Bohr, Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Kraftfahrzeugtechnik der Robert Bosch GmbH. Während in Asien Wachstumsraten von 10,8 Prozent erwartet würden, gehe man in den etablierten Märkten nur noch von einem kleinen Wachstum aus. Allerdings sei der Umsatz pro Wagen in den etablierten Märkten nach wie vor attraktiv, da hier quantitativ und qualitativ mehr Komponenten pro Fahrzeug verkauft würden. In den etablierten Märkten läge der Umsatz pro Fahrzeug bei etwa 800 Euro, in China nur bei etwa 200 Euro. „Wir wachsen nicht nur mit der wachsenden Anzahl von Autos, sondern auch mit den Anteil von Komponenten“, betonte er. Gut 30 Prozent mache bereits heute der Umsatzanteil von Bosch in Asien aus und gut 40 Prozent der Produktion. Allerdings würden in den asiatischen Märkten simplere Teile produziert als in den etablierten Märkten. „Der asiatische Markt ist ein zweigeteilter Markt“, so Bohr. Neben den bekannten Modellen gäbe es die Low-Cost-Vehikel. Aus dieser Zweiteilung ergäben sich neue Produktansätze.
Als Zulieferer müsste der Spagat zwischen globalen und lokalen Produkte gefunden werden, so der Bosch-Manager weiter. Insgesamt gäbe es nur wenige globale Produkte, da sich auch in den etablierten Märkten die Anforderungen durch unterschiedliche Rahmenbedingungen bei Abgaswerten, Sicherheit etc. unterschieden. Die neuen Märkte benötigen vereinfachte und günstigere Produkte. Von diesen vereinfachten Produkten könnte die Industrie auch für die etablierten Märkte lernen.
China wächst weiter
Seit 2009 ist China der größte Automobilmarkt der Welt, stellte Ulrich Walker, Chairman und CEO von Daimler Northeast Asia Ltd. fest. In den nächsten zehn Jahren werde das Wachstum in der Automobilindustrie weiterhin von China dominiert. Getrieben werde diese Entwicklung nicht nur durch den Pkw- und Nutzfahrzeug-Bedarf, sondern auch durch imposante Infrastrukturmaßnahmen, wie beispielsweise dem Bau von jährlich 5000 Kilometern Autobahnen. Ebenso werde in China die Elektromobilität schnell vorangetrieben. Die Regierung habe hier erkannt, dass der steigende Ölbedarf einer immer mobileren Gesellschaft auf lange Sicht nicht mehr zu decken ist und fördere den Verkauf von Elektroautos direkt bei den Herstellern mit bis zu 7.000 Euro. „Der Traum eines Chinesen ist ein Auto“, betonte Walker. China versuche auch über die Elektromobilität diesen Wunsch zu erfüllen.
Die Prognosen für den Automobilmarkt China seien unterschiedlich. Sicher wäre aber, dass der chinesische Automobilmarkt weiterhin um acht bis zehn Prozent wachsen werde. Getrieben werde diese Entwicklung durch mehrere Effekte, so der China-Chef von Daimler. Noch würden Zwei-Drittel des Wachstums durch den Absatz an der Ostküste bestimmt, aber immer mehr würde auch die Westküste erschlossen. Dieser Trend werde staatlich gefördert und führe somit auch in dieser Region zu höheren Einkommen und einem Nachholbedarf an Fahrzeugen.
Ideale Rahmenbedingungen für Premium-Anbieter
Neben dem Trend zur Urbanisierung zeichne China eine wachsende Mittelschicht und Oberklasse aus. Bereits heute gäbe es eine Million Millionäre. Das steigende Einkommensniveau in China führe zwangsläufig zu einem steigenden Bedarf an Luxusgütern. Neben dem Mengenwachstum könne immer mehr auch ein Qualitätswachstum beobachtet werden. Diese Rahmenbedingungen seien ein Vorteil für Premium-Anbieter, betonte Walker. Schon heute würden die meisten S-Klassen in China verkauft und Mercedes sei mit all seinen Modellen auf dem chinesischen Markt vertreten. Auch im Truck-Bereich sei der Daimler-Anteil schon sehr groß und mit dem 2010 unterzeichneten Truck-Joint Venture solle dieser Anteil noch weiter erhöht werden. „Daimler ist bereits mit allen Marken auf dem chinesischen Markt aktiv und investiert in örtliche Produktionen sowie in ein Entwicklungszentrum“, sagte er. Schon bald werde Daimler hier die erste Motorenfabrik außerhalb Deutschlands eröffnen. Um auf dem chinesischen Markt aktiv sein zu können, müssten allerdings Regularien beachtet werden, die sich auch im strukturellen Aufbau wiederspiegelten. Walker erinnert hier an die Vorgabe, dass Firmen nur zu 50 Prozent in ausländischer Hand seien dürften.
Um in China erfolgreich zu sein, benötigten Unternehmen eine klare und langfristige Strategie, betonte Walker weiter. „Wir werden bis 2013 drei Milliarden Euro in China investieren“, so der China-Chef von Daimler. Neben Investitionen in die Produkte und das Marketing seien Kapazitätserweiterungen geplant. Obwohl Daimler vieles lokal machen wolle, werde auch weiter nach China exportiert. Darüber hinaus wolle man auch das Geschäft mit Finanzdienstleistungen ausbauen, das noch weit hinter den Penetrations-Zahlen in Europa und den USA zurückliege.
Automobilwirtschaft und Versicherungen zusammenführen
Über die Herausforderungen für Kfz-Versicherer auf den globalen Märkten, sprach Karsten Crede, Vorstand Global Automotive der Allianz Versicherungs-AG. Die traditionelle Zusammenarbeit zwischen der Automobil-Industrie und der Versicherungswirtschaft konzentriere sich auf das Thema Handel und Endkunden. Besonders in den neuen Märkten reiche es aber nicht mehr aus, eine Kfz-Versicherung mit dem Kauf beziehungsweise einer Auto-Finanzierung zu verbinden. In China würden die meisten Fahrzeuge noch bar bezahlt, so dass Kombinationsmodelle von Finanzierung und Versicherung nicht funktionierten. Um auch in Zukunft erfolgreich Kfz-Versicherungen verkaufen zu können, müsse das
Versicherungsprodukt intelligent in den Verkauf und das Fahrzeug eingebunden werden, so Crede. Versicherer müssten das Produkt Auto richtig verstehen, um integraler Bestandteil der Wertschöpfungskette werden zu können.
Neue Versicherungsprodukte für die automobile Zukunft
Technologische Veränderungen wie die Elektromobilität forderten auch die Versicherer heraus, neue Produkte für Fahrzeuge mit neuen Eigenschaften zu entwickeln. Die Trends in der Autoindustrie bestimmten letztlich auch die weitere Entwicklung des Kfz-Versicherungsmarktes. Mit einem intelligenten Prozessdesign könnten die beiden Welten miteinander verbunden werden. Als Beispiel für ein solches Prozessdesign erläuterte Crede, die Potenziale von Versicherern durch ein intelligentes Schadensmanagement. Hier könnten Versicherungen helfen, Kunden an die Autohaus-Werkstatt anzubinden und das Aftersales-Geschäft zu stärken.
Der Elektroantrieb ist Realität
Einen Einblick die Potenziale von Elektro- und Hybridfahrzeugen gaben Uwe Winter von der Adam Opel AG und Gerald Killmann von Toyota Motor Europe. Winter erinnerte zunächst an die Endlichkeit der Ölreserven und den damit verbundenen Kostenanstieg für Benzin. Der Autobauer Opel versuche hier Antworten zu finden und setze nicht nur auf Verbrauchsreduzierungen, sondern auch auf die Elektrifizierung. „Der Kunde will auch in Zukunft ein funktionelles Auto haben“, betonte Winter. Die Entwicklung eines Elektroautos müsse den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Die Kunden akzeptierten eine Range von 300 Kilometern, überschaubare Ladezeiten und angemessene Kosten, so Winter weiter. Die Entwicklung des Elektroautos Ampera orientiere sich am Nutzungsverhalten der Kunden und biete für ein bestimmtes Fahrprofil ein optimales Angebot. Es werde immer Kunden mit besonderen Ansprüchen an die Reichweite, Geschwindigkeit oder ähnliches geben, aber für die durchschnittliche Fahrleistung von etwa 50 Kilometern pro Tag biete der Ampera bereits eine vollelektrische Alternative. „Der Elektroantrieb ist schon heute Realität“, sagte Winter. Mit dem Ampera zeige Opel, dass Umwelttechnologien Fahrspaß nicht ausschlössen. Durch die Möglichkeit das Fahrzeug an jeder Steckdose anzuschließen, zeige Opels Elektroauto seine Alltagstauglichkeit. Bei der Entwicklung des Ampera seien auch die Möglichkeiten der Produktion berücksichtigt worden, so dass er auch in Serie produziert werden könne.
Hybrid-Technik setzt sich durch
„Der Voll-Hybrid ist die Basis für die künftige Elektromobilität“, betonte Gerald Killmann. Toyota habe in diesem Jahr bereits den dreimillionste Hybrid verkauft und gezeigt, dass die Hybrid-Technik auch beim Kunden akzeptiert ist. Toyota werde die Produkt- und Modellpallette für Hybride auch noch erweitern. Ein Hybrid verbinde die Vorteile eines Elektromotors mit denen eines Verbrennungsmotors. Der Verbrennungsmotor werde durch den Elektromotors in seinem Verbrauch optimiertund der Verzicht auf eine Kopplung und ein konventionelles Getriebe führe zu weiteren Energieeinsparungen. Die Batterien habe Toyota an die Lebensdauer des Autos angepasst. Langzeit-Studien zeigten, dass die Batterien dies auch leisten könnten. „Uns ist es wichtig, dass man in der Stadt elektrisch und auf der Autobahn schneller fahren kann“, so Killmann weiter. Hier könnten die Vorteile der jeweiligen Motoren wohl ausgeschöpft werden. Toyota betrachte die Hybrid-Technologie als Massentechnologie, mit denen bereits in den Städten voll elektrisch gefahren werden könne. Auch Toyota arbeite an einem Elektromotor, setze in den nächsten Jahren aber hauptsächlich auf Vollhybride.
Die Handelsblatt Jahrestagung „Die Automobil-Industrie.“ ist eine der etabliertesten Tagungen für die Automobil-Industrie und zeichnet sich seit Jahren durch hochkarätige Referenten und interessante Diskussionen um die aktuellen Trends in der Automobil-Industrie aus. Im nächsten Jahr feiert die Veranstaltung Ihr 20. Jubiläum.